Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 26.09.2024, Seite 6 / Ausland
Politischer Gefangener

»Mumia-Ausnahme« gilt wieder

USA: Gericht lehnt Berufungsantrag des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal ab – erneut
Von Jürgen Heiser
2010-11-09T120000Z_1870021694_GM1E6BA0GIS01_RTRMADP_3_USA.JPG
Das Vertrauen in Rechtssystem und Polizei ist durch Fälle wie die von Mumia Abu-Jamal gestört (Pennsylvania, 9.11.2010)

Die Hoffnung des seit 1981 in den USA inhaftierten Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal auf einen neuen Prozess hat mal wieder einen Dämpfer erlitten. Anfang September lehnte der Pennsylvania Superior Court den im vergangenen Jahr gestellten Berufungsantrag des Journalisten ab. Dies berichtete Noelle Hanrahan vom kalifornischen Projekt Prison Radio auf einer Lesung des gemeinsam mit Abu-Jamal herausgegebenen Antigefängnisbuches »Beneath the Mountain« in der vergangenen Woche. Die Entscheidung reiht sich in eine jahrzehntelange Abfolge solcher Ablehnungen durch verschiedene Gerichtsinstanzen ein. In unzähligen Rechtsersuchen hatte Abu-Jamal versucht, das 1982 gegen ihn gefällte Urteil wegen angeblichen »Polizistenmordes« in einem neuen Prozess zu überprüfen und aufzuheben.

Der politische Gefangene beteuerte stets seine Unschuld, wurde und war dennoch in einem kurzen und rassistischen Prozess vom berüchtigten »Henker in Richterrobe«, Albert Sabo, zum Tode verurteilt worden. Erst nach fast 30 Jahren Todestrakt erreichte der politische Gefangene 2011 wenigstens die Umwandlung des Todesurteils in lebenslange Haft ohne Bewährung. Zur vollständigen Aufhebung des Unrechtsurteils und damit zu seiner Freilassung kam es jedoch bislang nicht. Dabei hatten mehrere Verteidigungsteams im Laufe der Jahrzehnte immer neue entlastende Beweise vorgelegt.

Schon in einem exklusiven jW-Interview im August 2008 hatte Abu-Jamal eindringlich geschildert, wie »die Justiz ihre eigenen Grundsatzentscheidungen negiert und gegen die eigenen Gesetze verstößt«, um ihm weiter sein Recht auf einen neuen Prozess zu verweigern. Diese Rechtsbeugungen sind seither als »Mumia-Ausnahmen« bekannt. Um nichts anderes geht es in der jüngsten Entscheidung des Superior Court. Denn das dreiköpfige Gremium des Obergerichts, bestehend aus dem Vorsitzenden Richter Jack Panella (Demokraten) sowie Victor Stabile (Republikaner) und John Bender (Republikaner), erklärte in einem 23seitigen Schriftsatz eine negative Entscheidung der Vorinstanz, dem Philadelphia Common Pleas Court, für rechtens. Dessen Richterin Lucretia Clemons hatte sich im März 2023 geweigert, die neuen Unschuldsbeweise vor Gericht anzuhören.

Damit kehrte sie »die richterliche Pflicht, für Gerechtigkeit einzutreten, ins Gegenteil« um und weigerte sich zu tun, »was richtig, rechtmäßig und erforderlich gewesen wäre«, hatte der Journalist Linn Washington nach der Entscheidung kritisiert. Doch das sahen die drei Richter des Superior Court anders. Sie bekräftigten Richterin Clemons’ Argumentation, dass diese »nicht für die Prüfung der vorgebrachten Beschwerden zuständig« sei. Dabei ging es doch »nur« um Unschuldsbeweise, die noch nie von irgendeinem US-Gericht zur Kenntnis genommen wurden. Warum? Weil sie 37 Jahre in Archivkisten im Keller der Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia vergraben waren und der Verteidigung erst 2021 übergeben wurden.

Darunter ist die handschriftliche Notiz des angeblichen »Hauptbelastungszeugen« Robert Chobert. Dieser war nachweislich nicht direkt am Tatort, will aber gesehen haben, wie Abu-Jamal den Polizisten erschoss. Nach dem Prozess forderte Chobert mit der Notiz vom damaligen Bezirksstaatsanwalt Joseph McGill das ihm »versprochene Geld«. War der Zeuge also für seine Aussage geschmiert worden? Das hätte für Abu-Jamal 1982 eigentlich einen Freispruch bedeutet – oder jetzt einen neuen Prozess. Ebenso sind bei den Unterlagen McGills handschriftliche Notizen mit unzulässigen Begründungen für das Bevorzugen weißer gegenüber schwarzer Geschworenen. Auch dies wäre eigentlich ein Grund für einen neuen Prozess. Trifft also für den Fall Mumia Abu-Jamals der Spruch zu, Recht und Gesetz seien »Politik mit anderen Mitteln«? Die Verteidigung wird sich dem auf jeden Fall weiter entgegenstellen und die ergangene Ablehnung mit einem neuen Berufungsantrag vor dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias kontern.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

Regio: